Via dei Laghi am Albaner See, Italien
Etwa 60 km südlich von Rom, am Rande des Albaner Sees, eines erloschenen
Vulkankraters, verläuft die Via dei Laghi, eine Landstraße, die als
Verlängerung der Via Appia Nuova die Hauptstadt Rom mit der Weinregion Frascati
sowie der malerischen Seenlandschaft der Albaner Berge verbindet. Kurz hinter
der Ortschaft Rocca di Papa kommt es im Verlauf dieser Straße zu einer
seltsamen Anomalie. Flaschen und andere Gegenstände rollen hier in einer
schwachen Steigung ohne zusätzliche Antriebskraft bergauf. Selbst schwere Autos
lassen sich hier im Leerlauf bei ausgeschaltetem Motor den Berg hinaufbewegen.
Das Phänomen wurde in Deutschland erstmals durch Rainer Holbes
Sendungen "Unglaubliche Geschichten" und "Phantastische Phänomene" sowie
durch sein Buch "Magie, Madonnen und Mirakel" bekannt gemacht. Es wurde von ihm
ebenfalls in einer Sendung von Hans Meiser in der Sendung "Unerklärliche
Phänomene" vom 19.3.1997 den Fernsehzuschauern vorgestellt.
So haben wir im Jahre 1998 im Rahmen einer Forschungsreise nach Italien den Fall gründlich untersucht. Der subjektive Eindruck hinterläßt beim Besucher dieses seltsamen Ortes
sofort das Gefühl, daß das Phänomen echt sein muß. Die Steigung beginnt in einer
kleinen Bodensenke und führt bis zu einer Kuppe nach etwa 200 Metern. Läuft man
diese mutmaßliche Steigung hinauf, so hat man ein seltsames Gefühl der
Beschleunigung. Man glaubt nicht bergauf, sondern eher bergab zu laufen. Es ist
kein Kraftaufwand dabei zu spüren. Auch ein Auto läuft im Leerlauf bei
ausgeschaltetem Motor tatsächlich von selbst bergauf. Dies funktioniert sogar
bei vollbesetzten Touristenbussen, wie wir selbst gesehen haben. Ganz offenbar
beziehen Touristikunternehmen (hauptsächlich aus Deutschland) diesen seltsamen
Ort bereits in ihre Rundfahrten ein.
Ein zeitlich veränderliches Schwerefeld wäre - obwohl es rein mathematisch
natürlich denkbar wäre - physikalisch eine Ungeheuerlichkeit, die noch nie
beobachtet wurde. Messungen vor OrtDies dürfte der Hauptgrund sein, daß Wissenschaftler den Effekt für eine optische Täuschung halten. In Wahrheit beweist dieser Versuch jedoch überhaupt nichts, denn im Fall, daß es sich wirklich um eine Gravitationsanomalie handeln würde, würde diese natürlich auch die Wasserwaage beeinflussen und falsch anzeigen lassen, genauso, wie sie Autos, Flaschen und andere Gegenstände bergauf anstatt bergab rollen läßt. Da in der modernen Physik heute die Vermutung allgemein anerkannt ist, daß
alle physikalischen Grundkräfte in einer einheitlichen Feldtheorie vereinigt
werden können (wenn diese Theorie auch bis heute offiziell nicht existiert),
könnte es sich natürlich prinzipiell auch um ein elektromagnetisches oder
radioaktives Phänomen handeln. Daher führten wir als nächstes Messungen mit dem
Geigerzähler sowie mit einem mobilen Feldmeßgerät für den Einsatz im Gelände
durch. Beide Messungen blieben ergebnislos. Entlang der Straße konnte weder eine
Erhöhung der natürlichen Radioaktivität noch das Vorhandensein ungewöhnlicher
elektrischer oder magnetischer Felder nachgewiesen werden. Obwohl Geophysiker zur Messung der Schwerkraft heutzutage über
hochempfindliche supraleitende Spezialgeräte verfügen, greift man für Messungen
im Gelände auch zu professionellen Zwecken heute noch auf klassische Meßmethoden
zurück, wie sie schon zu Zeiten Galileis bekannt waren. Kernstück eines solchen
klassischen Gravimeters ist entweder eine Spiralfeder oder ein siderisches
Pendel. Der einzige Haken bei dieser Methode ist es, daß man für diese Formel einige Materialkonstanten (z. B. Masse des Pendels und Länge des Pendelfadens) genauer kennen müßte, als es normalerweise der Fall ist. Dieses Problem umgehen Geophysiker dadurch, daß sie das Pendel bzw. das Federgravimeter an einem Ort mit bekannter Gravitation eichen. Das heißt, an einem Ort, an dem eine normale Gravitation angenommen werden kann, wird eine Messung der Schwingungsdauer vorgenommen und notiert. Führt man nun eine weitere Messung an einem anderen Ort durch, kann man Gravitationsabweichungen mit ausreichender Genauigkeit bestimmen, indem man einfach die Schwingungszeiten vergleicht. Schwingt das Pendel (bzw. die Feder) langsamer als am Ort der Eichung, so ist die Gravitation geringer. Schwingt es dagegen schneller, ist die Gravitation erhöht. In unserem Fall fand die Eichung vor der Reise in unserer Berliner Wohnung statt, von der man ohne weiteres annehmen kann, daß dort normale Gravitationsverhältnisse herrschen. Im Mittel benötigt das von uns benutzte siderische Pendel dort eine Zeit von 0,9629 Sekunden für eine vollständige Schwingung. An der Via dei Laghi hingegen betrug die Schwingungsdauer im Mittel 0,9788 Sekunden, wobei der Meßfehler aufgrund des Meßverfahrens höchstens 0,002 Sekunden beträgt. Damit ist bewiesen, daß ein Pendel an der Via dei Laghi signifikant langsamer schwingt, was nur durch eine Gravitationsabweichung erklärbar ist, und zwar ist die Gravitation dort um rund 3,2% geringer als in Berlin. Wo liegen die Ursachen?
Die Frage ist nun natürlich, wie das möglich ist. Gibt es dort in Italien
anormale geophysikalische Effekte, die diese Gravitationsverringerung bewirken?
Hierzu befragten wir Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam. Wir diskutierten das Phänomen der Gravitationsanomalien mit dem Leiter der
Sektion "Gravitationsfeld und Gestalt der Erde", Herrn Dr. Peter Schwintzer.
Lokale Anomalien der Gravitation können etwa entstehen durch große
unterirdische Erzlager, deren spezifisches Gewicht höher ist als das des
normalen Gesteins. Andere Ursachen können tektonische Verschiebungen an den
Rändern der Kontinentalplatten sein oder Konvektionsströmungen im heißen,
flüssigen Erdinnern, dem sogenannten Erdmantel. Dr. Schwintzer bestätigte uns, daß die heutige Wissenschaft eine derart starke Gravitationsanomalie nicht erklären kann. Verbirgt sich also in den Albaner Bergen ein noch ungelöstes Geheimnis?
Immerhin ist es interessant, daß ganz in der Nähe dieser Gravitationsanomalie
Castel Gandolfo liegt, die Sommerresidenz des Papstes. Dieses Schloß
wurde im 17. Jahrhundert von Papst Urban VIII. errichtet, also genau von dem
Papst, der das Urteil über Galileo Galilei sprach, also über den Mann, der als
erster Messungen des Erdschwerefeldes durchführte. Um vielleicht eine Erklärung des Rätsels zu finden, muß man untersuchen, ob es möglicherweise noch mehr derartige Orte auf der Welt gibt. (siehe dazu auch die Liste am des Artikels) Karpacz Górny bei Karpacz, PolenNach der Sendung bei Hans Meiser erhielten wir eine Reihe von Zuschriften der
Zuschauer auch zu diesem Thema. Mehrere Zuschauer wiesen uns darauf hin, daß
auch in Polen, genauer: im schlesischen Kurort Karpacz (Krummhübel) am
Fuße der Schneekoppe, ein solcher Ort zu finden sei, und wir sind auch dieser
Sache nachgegangen.
Dennoch waren wir überrascht, daß wir auf einem ganz gewöhnlichen Stadtplan von Karpacz, wie man ihn dort in jeder Buchhandlung kaufen kann, einen Eintrag finden konnten: "Miejsce zaburzenia grawitacji" ("Ort gestörter Gravitation"). Offenbar ist auch den offiziellen Stellen in Karpacz das Phänomen seit langem bekannt, und man akzeptiert es auch und nutzt es als weitere touristische Sehenswürdigkeit. Laut Stadtplan befindet sich die Anomalie an der ulica Strazacka am südlichen Ortsrand, ganz in der Nähe eines wildromantischen Wasserfalls. Als wir die kleine Brücke über den Bach Lomnica nordwärts überquert hatten, konnten wir
An dieser Straße eine Flasche bergauf rollen zu lassen, gehörte mittlerweile schon zu unseren leichtesten Übungen. Um jedoch ganz sicher zu sein, führten wir noch eigene Höhenvermessungen durch. Die moderne Technik bietet mit Hilfe des satellitengestützten Navigations- und Ortungssystems GPS (Global Positioning System) Autofahrern und Wanderern die Möglichkeit, sich in fremdem Terrain genau zu orientieren. Ein heutiger GPS-Empfänger ist heutzutage nicht mehr größer als ein Handy und liefert an jedem Ort der Welt genaue Koordinatenangaben für die Position und die Höhe über dem Meeresspiegel. Im Gegensatz zu herkömmlichen Vermessungsmethoden kann eine GPS-Messung durch lokale Gravitationsanomalien nicht beeinflußt werden, da die Daten von Satelliten gesendet werden, die sich hoch über der Erde im Orbit befinden, weit ab von jeder möglichen Gravitationsstörung.
Trotzdem führten wir auch die Gravitationsmessung mit dem siderischen Pendel durch, schon um festzustellen, wie groß die Anomalie hier im Riesengebirge eigentlich war. Unser Eindruck war gewesen, daß sie sogar stärker sein müßte als in Italien. Dieser Eindruck wurde durch die Messungen bestätigt. In Karpacz Górny ist die Gravitation sogar um mehr als 4% geringer als normal. Einen pulsierenden Effekt wie in Italien konnten wir an dieser Stelle nicht feststellen. In der Bezirkshauptstadt Jelenia Góra (Hirschberg) erfuhren wir hierzu noch einige interessante Neuigkeiten, nämlich daß Wissenschaftler der Universität Breslau in den vergangenen Jahren in der ganzen Region umfangreiche Satellitenmessungen durchgeführt hatten. Das Ergebnis war, daß im Bereich des Riesengebirges gewaltige unterirdische Vorräte von kochend heißem Wasser in etwa 2000 Metern Tiefe entdeckt wurden. Das Zentrum befindet sich in dem Kurort Cieplice (Bad Warmbrunn - Nomen est omen!!), das Gebiet erstreckt sich aber auch bis in die Region Karpacz. Könnte das vielleicht auch eine Erklärung für das Gravitationsphänomen sein? Endlich haben wir eine Gemeinsamkeit gefunden, denn auch der Albaner See ist ja ein erkalteter Vulkankrater. Andererseits ist das Wasser des Albaner Sees heute nicht mehr heiß. Bedeutet dies, daß die Anomalie auch nach dem Erlöschen des Vulkanismus erhalten bleibt? Wieso sollte dies der Fall sein? Vielleicht gibt es ja noch viel mehr solche Gravitationsanomalien auf der Welt? Es hat sie nur noch niemand entdeckt, denn zu viele Zufälle müssen zusammenspielen, damit sie den Menschen überhaupt auffallen:
Vielleicht warten ja noch viele Gravitationsanomalien auf ihre Entdeckung - auf einer ebenen Fläche, oder auf einem holprigen Acker, wo sie niemand bemerkt? FazitDaß es an der Via dei Laghi und in Karpacz Górny Gravitationsanomalien
gibt, kann als wissenschaftlich bewiesen angesehen werden. Von einer Erklärung
dieses interessanten Phänomens sind wir jedoch nach wie vor weit entfernt. NachwortWas hat dieser Artikel über ein natürliches Phänomen, dessen Ursache noch nicht einmal geklärt ist, auf einer Website zu suchen, auf der es doch eigentlich um die technische Beeinflussung der Schwerkraft geht?Nun, ich glaube, die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: Hier liegt ein andauerndes Phänomen vor, das sich also der Beobachtung nicht entzieht und tut etwas, was im Falle Podkletnov als wissenschaftliche Sensation bezeichnet wurde: Es beeinflusst die Schwerkraft offenbar in erheblichem Maße. Man sollte also keine Mühe scheuen, nach den Ursachen zu suchen, um so vielleicht neue Aufschlüsse über das Wesen der Gravitation zu erhalten. Umso mehr verwundert es, dass außer einigen Enthusiasten offenbar niemand aus den Reihen der Wissenschaft es für notwendig erachtet, sich näher damit zu befassen - da sind keine Messpunkte oder Beobachtungstationen vor Ort, wie man das eigentlich erwarten sollte. Zumal noch hinzukommt, dass der Effekt pulsiert, wie die Autoren berichten - was eine Beobachtung über längere Zeiträume auf alle Fälle rechtfertigen würde! Trotz allem wird dieses Phänomen - wie auch andere - quasi links liegen gelassen. Nur: Warum? Eine Antwort auf diese Frage gibt indirekt die FAQ der Newsgruppe sci.physics. Sie hat diesem Phänomen eine eigene Seite vorbehalten und ihm den Namen "Rolling Uphill Illusion" gegeben. Aus der Bezeichnung kann man schon auf die dort gegebene Erklärung schließen, die auch die Autoren eingangs schon erwähnten: Es handelt sich schlicht um eine optische Täuschung! Interessant wäre an dieser Stelle, ob und wer sich davon eigentlich im Einzelfall durch Messungen überzeugt hat. Sicher mag eine optische Täuschung als wahrscheinlichste Erklärung akzeptabel sein, aber wie man diesem Artikel entnehmen kann, ist wohl die Sache doch nicht ganz so einfach... Eine Liste ähnlicher PhänomeneDie folgende Liste enthält einige weitere Plätze, bei denen
es sich um ähnliche Phänomene handeln könnte. Ergänzungen/Korrekturen zu dieser Liste sind jederzeit willkommen!
Kontakt: Postfach 242, D-12112 Berlin · Tel./Fax: 030-795 36 63 · E-mail: mail@fosar-bludorf.com Nachwort und Liste: Andreas Hecht |